Foto: Frank Friedrich Naumann

In 6 Minuten in die Innenstadt, den Zug oder die Metro:

Unterwassergarage macht Amsterdam noch fahrradfreundlicher

In 6 Minuten in die Innenstadt, den Zug oder die Metro:

Unterwassergarage macht Amsterdam noch fahrradfreundlicher

Seit über 20 Jahren entwickelt, plant und realisiert die Stadt Amsterdam grundlegende Instandsetzungs- und Neubauprojekte am und um den Vorplatz des Amsterdamer Hauptbahnhofs, um die Stadt für Fußgänger, Fahrradfahrer und Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs attraktiver zu machen. Dreh- und Angelpunkt der in den letzten Jahren realisierten Maßnahmen war der Bau der „Fahrradgarage Stationsplein” – dem weltweit ersten Unterwasser-Stellplatz für Fahrräder. Vom Betreten der Rolltreppe über das Abstellen des Fahrrads bis zum Verlassen der Garage vergehen im Schnitt nur etwa 6 Minuten.

Bei der Unterwassergarage handelte es sich um einen sogenannten „Design & Build”-Auftrag. Die Max Bögl Nederland BV erarbeitete gemeinsam mit den Architekten von wUrck (Rotterdam) einen Angebotsentwurf für die Fahrradgarage. Ausgangspunkte dafür waren nur ein textliches Anforderungsprofil und ein Skizzenbuch des Kunden für die Straßen- und Brückengestaltung. Dieser Entwurf konnte sich schließlich im Wettbewerb durchsetzen. Daraufhin verantwortete Max Bögl die komplette Genehmigungs- und Ausführungsplanung sowie die erfolgreiche Realisierung des Projektes.

Arbeiten unter Wasser und laufendem Verkehr

Für den Bau der Fahrradgarage wurde der Zentrale Omnibus Bahnhof (ZOB) vom Vorplatz hinter den Bahnhof umgelegt und der freiwerdende Raum genutzt, um eine größere Wasseroberfläche und dadurch mehr Ruhe in das Stadtbild zu bringen. Die besondere Lage der Fahrradgarage sowie die Tatsache, dass es sich bei dem Bahnhof um einen der Hauptverkehrsknotenpunkte der Niederlande handelt, brachte sowohl auf baulicher als auch auf organisatorischer und logistischer Ebene einige Herausforderungen mit sich. Um die Beeinträchtigungen für den laufenden Verkehr – auf dem Wasser wie auf dem Land – so gering wie möglich zu halten, wurden die Arbeiten soweit möglich parallel dazu ausgeführt, was eine präzise Taktung und eine enge Abstimmung aller Beteiligten erforderte. Zudem wurden so viele Materialien und Gerätschaften wie möglich über Wasser angeliefert, da die spezielle Lage der Fahrradgarage eine Anlieferung über das Straßennetz erschwerte.

Bevor mit dem eigentlichen Bau der Fahrradgarage begonnen werden konnte, musste zunächst eine wasserdichte Baugrube in der Größe von etwa fünf olympischen Schwimmbecken (7800 m²) ausgehoben werden – diese Arbeit allein beanspruchte schon rund zwei Jahre. Eine Unterwasserbetonsohle mit Pfählen schließt die Grundfläche zum Untergrund ab. In weiteren zwei Jahren Bauzeit wurden der wasserdichte Rohbau und der Ausbau realisiert. Die Entwurfsphilosophie der Garage entspricht der einer Muschel: Im Außenbereich raue, grobe und dunkle Materialen, wie Basalt und Sichtbeton mit Holzstrukturschalung für die Außenwände. Im Inneren hell, weiß und eine beinahe perlmuttartige Ausstrahlung, durch Glas und weiße, glatte Oberflächen. Die Gestaltung ist eine Ode an das Wasser, dort, wo vor 150 Jahren noch der Hochseehafen der Hauptstadt war.

Teil eines umfangreichen Gesamtprojekts

In den letzten Jahren stellte der Bau der Fahrradgarage eine der zentralen Maßnahmen dar, die am und um den Amsterdamer Hauptbahnhof umgesetzt wurden. Dabei handelt es sich um einen Teil des Gesamtprojekts „De Entree”, zu dem die Firmengruppe Max Bögl als Generalunternehmer gemeinsam mit ihren Partnern einen wesentlichen Beitrag leistete. Damit verbunden war unter anderem die gesamte Erneuerung des Amsterdamer Vorplatzes, im Zuge derer neue Weichen, Schienen, Oberleitungen, Masten und Haltestellen für eine angepasste Straßen- und U-Bahn-Infrastruktur entstanden sind. Teil der Arbeiten war auch die Instandsetzung der drei Brücken, die zum Amsterdamer Bahnhof führen. Um ein stimmiges Erscheinungsbild zu schaffen, wurden die drei, aus verschiedenen Jahrzehnten stammenden, Brücken verbreitert oder umgestaltet, wozu unter anderem das Anbringen einheitlicher Geländer gehörte. 

Auf der gegenüberliegenden Nordseite der Fahrradgarage entstand zudem eine neue Kademauer, die zum Verweilen einlädt. Bereits bestehende Kademauern wurden erneuert, ertüchtigt und wieder an die Brücken und den neuen Straßenbelag angeschlossen.

Eine der wohl beeindruckendsten Maßnahmen im Rahmen des Projekts war die Errichtung der sog. „Cuyperstrap” – ein Treppenhaus inklusive Rolltreppe, welches die monumentale Eingangshalle des Amsterdamer Hauptbahnhofs mit der unterirdischen Metro-Verteilerhalle verbindet. Der Bau der Cuyperstrap erfolgte ebenfalls unter Wasser. Dafür war eine wasserdichte Baugrubenumschließung notwendig, die Max Bögl mit Vereisung herstellte.

In der Fahrradgarage selbst wurde ein Stellplatz-Überwachungssystem installiert, welches den Nutzern die Suche nach freien Abstellmöglichkeiten erleichtert. Die jeweilige Auslastung der Fahrradständer im jeweiligen Gang wird durch eine verschiedenfarbige Beleuchtung in den Stützen der Hauptroute angezeigt.

„Bei dem Entwurf und der Realisierung des Projekts „De Entree” konnte das gesamte Team von Anfang
bis Ende sein Wissen, Können und kreatives Denken unter Beweis stellen. Baulich
und organisatorisch stellte das Projekt eine Herausforderung dar, die wir
jedoch gemeinsam bewältigen konnten und der Stadt Amsterdam damit zu einem
neuen Highlight verholfen haben. Als weitere Anerkennung für die geleistete
Arbeit durften wir am 10. Mai 2023 den Amsterdamer Architektur Preis (AAP) mit
Stolz entgegennehmen.”
(Frank
Friedrich Naumann, Entwurfsleiter)

Fotos: Frank Friedrich Naumann

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